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Aufbewahrung des Tresor-Schlüssels. Auch Baden-Württemberg schießt übers Ziel hinaus

Fast zeitgleich mit den Rundschreiben der Kreispolizeibehörden in NRW (siehe unsere Stellungnahme hierzu weiter unten) hat auch das CDU-geführte Innenministerium des Landes Baden-Württemberg das „Tresor-Schlüssel“-Urteil aufgegriffen und gegenüber den Waffenbehörden Handlungsanweisungen im Rahmen zukünftiger Aufbewahrungskontrollen vorgegeben. Das Forum Waffenrecht stellt fest, dass die neuen Regelungen nicht nur gegen das Waffengesetz, sondern sogar gegen das Grundgesetz verstoßen und fordert die sofortige Rücknahme.

 

In einem Schreiben an seine Regierungspräsidien teilt das Innenministerium mit: „Zwar bestehen keine konkreten gesetzlichen Regelungen zur Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels. Der Schlüssel ist jedoch als Teil der Waffenaufbewahrung anzusehen, da durch eine nachlässige Aufbewahrung des Schlüssels der Schutz durch den Waffenschrank vor unbefugtem Zugriff Dritter auf die Waffen im Ergebnis abgesenkt oder sogar aufgehoben werden kann. Die hohe Verantwortung, die mit dem Privileg des Waffenbesitzes verbunden ist, rechtfertigt es nach Ansicht des Innenministeriums, dass ein Waffenbesitzer alle zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen treffen muss, damit Unbefugte keinen Zugriff auf seine Waffen und Munition nehmen können.“

 Obige Feststellung, dass der Schlüssel als Teil der Waffenaufbewahrung anzusehen sei, lässt bereits erahnen, dass hier eine Faktenlage herbeiformuliert wurde, die zwar in keiner Weise durch das Waffengesetz gedeckt ist, aber geeignet erscheint, um konkrete Handlungsableitungen zu legitimieren. Und genau diese folgen in gleichem Schreiben dann ganz konkret: „Vor dem Hintergrund, dass der Schlüssel als Teil der Waffenaufbewahrung anzusehen ist, ist die Aufbewahrung des Schlüssels auch im Rahmen von durchzuführenden Aufbewahrungskontrollen zu kontrollieren. Der Waffenbesitzer hat darzulegen, wie und wo er den Schlüssel verwahrt, wenn er diesen nicht bei sich führt.“

 Es steht also zu befürchten, dass bei künftigen Aufbewahrungskontrollen nicht nur konkret nach der Verwahrung des Schlüssels gefragt wird, sondern das genannte Behältnis und dessen Aufstellort auch einer Begutachtung unterzogen werden sollen. Denn das Innenministerium gibt im weiteren Verlauf der Anweisung konkrete Hinweise, wie das Aufbewahrungsbehältnis beschaffen sein sollte, wenn es sich nicht um einen zertifizierten Tresor in ausreichender Widerstandsklasse handelt: 

 „Unter Berücksichtigung des Umstands, dass es an konkreten gesetzlichen Regelungen fehlt, können nach der aktuellen Gesetzeslage jedoch auch andere Aufbewahrungsformen für eine sichere Aufbewahrung in Betracht kommen. Hierbei sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Das Sicherheitsbehältnis für den Schlüssel sollte in jedem Fall weitere Mechanismen, die den Zugriff auf diesen zumindest erschweren, aufweisen. D.h. der Schlüssel sollte z.B. in einem Tresor, welcher durch ein Zahlen- oder Fingerabdruckschloss gesichert ist, oder in einem vergleichbar gesicherten Behältnis aufbewahrt werden. Der Tresor sollte auch eine gewisse Massivität aufweisen und nicht in unmittelbarer Nähe zum dazugehörigen Waffenschrank aufbewahrt werden. Als nicht ausreichende Aufbewahrung wurden in der Rechtsprechung die Aufbewahrung des Schlüssels in einem Porzellanbierkrug im Esszimmer (VG Ansbach, U. v. 3.12.2003 - AN 15 K 03.00325) oder in einer Aktentasche im häuslichen Büro (VG Bayreuth, U. v. 30.10.2015 - B 1 K 15.345) angesehen.“

 In der Zusammenschau der obigen Hinweise ergibt sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anforderung, dass sich das Aufbewahrungsbehältnis des Schlüssels nicht im gleichen Raum befinden sollte, in dem auch der Waffenschrank steht. Ebenso impliziert aber die konkrete Nennung technischer Ausgestaltungen des Behältnisses, dass von den Kontrolleuren eine Inaugenscheinnahme desselben gefordert wird. 

 Und genau hier widerspricht die Anweisung dem geltenden Waffengesetz. Denn im dafür maßgeblichen § 36, Abs. 3 steht: „Wer erlaubnispflichtige Schusswaffen, Munition oder verbotene Waffen besitzt oder die Erteilung einer Erlaubnis zum Besitz beantragt hat, hat der zuständigen Behörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen oder vorgesehenen Maßnahmen nachzuweisen. Besitzer von erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Munition oder verbotenen Waffen haben außerdem der Behörde zur Überprüfung der Pflichten aus Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 Zutritt zu den Räumen zu gestatten, in denen die Waffen und die Munition aufbewahrt werden. Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.“

 Unmissverständlich schränkt das Gesetz also das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nur insoweit ein, dass der Legalwaffenbesitzer den Kontrolleuren ausschließlich Zutritt zu denjenigen Räumen zu gestatten hat, in denen die Waffen und die Munition aufbewahrt werden. Alle weiteren Wohnräume – also auch der Raum, in dem der Schlüssel nach Maßgabe des Innenministeriums idealerweise aufbewahrt werden sollte – dürfen nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden. Und solche sind bei einer verdachtsunabhängigen Aufbewahrungskontrolle mit Sicherheit nicht gegeben.

 Es ist in keiner Weise hinnehmbar, ja geradezu skandalös, dass das Innenministerium Baden-Württemberg seine Beamten auffordert, vorsätzlich nicht nur gegen § 36 WaffG zu verstoßen, sondern auch sehenden Auges grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter der Bürger zu verletzen. 

 Aus diesem Grund fordert das Forum Waffenrecht:

  1. Die sofortige Rücknahme dieser Anweisung.
  2. Die unveränderte Beibehaltung der bislang geltenden Regelungen bei der Aufbewahrungskontrolle bis zu einem Zeitpunkt, zu dem die Waffenrechtsreferenten der Länder eine bundesweit abgestimmte Vorgehensweise unter Berücksichtigung der Gesetzeslage beschlossen haben.
  3. Die Einbeziehung von Experten sowie den Vertretern der betroffenen Personengruppen, um gemeinsam eine sinnvolle und den gesetzlichen Grundlagen entsprechende Lösung zu erarbeiten, die breite Akzeptanz im Rechtsverkehr findet